Ostdeutschland

Künstler schaffen Räume für extremistische Ideologie – ein persönlicher Erfahrungsbericht

Dieser Text dient zur Aufklärung der Umstände

Leipzig: Neulich war ich auf einer Netzwerkveranstaltung eingeladen von lokalen DJs und Künstlern aus der Region. Ich habe zugesagt, bin hingegangen, wie man das eben so macht. Naiv vielleicht. Ohne vorher zu checken, wer da eigentlich genau zu dieser Veranstaltung geht.

Vor Ort war die Stimmung locker, offen, sogar herzlich. Die DJs, mit denen ich gesprochen habe, wirkten auf den ersten Blick alle cool, vielleicht ein bisschen klischeehaft, aber nicht auffällig. Ich blieb, wie meistens, nur ein, zwei Stunden – smalltalk, Hände schütteln, dann wieder weg. Doch auf dem Heimweg, auf dem Fahrrad, kamen die Gedanken. Und dann kam die Recherche.

Was ich da sah, lässt mich bis heute nicht los. Einer der Titel, auf den ich gestoßen bin, trägt den Namen „Es Eskaliert“ – mit altdeutscher Schrift auf dem Cover, Bierflaschen, brauner Stil. Der Titel allein klingt wie ein offener Gruß an die radikale Rechte. Und es war nicht nur dieser eine Song.

Ich bin tiefer reingegangen. Social Media - Profile, Kommentarspalten, Spotify-Zahlen. Die Reichweite dieser DJs von der Party ist massiv – zusammengerechnet mehrere Hunderttausend Menschen. Die meisten davon: ostdeutsch, jung, online laut. Und die Sprache der Konsumenten in den Kommentaren ist erschreckend eindeutig: populistische Phrasen, blaue Herzen, offener AfD-Support, Hetze.

Was ich hier beobachte ist subtil. Gefährlich. Neurechte Aktivisten, die sich offiziell als unpolitisch bezeichnen, jedoch offensichtlich extremistische und anti- demokratische Codes bewerben und Mainstream- fähig machen.

Der Künstler Schillah verdeutlicht in seinem Video wie verantwortungslos er mit seinem Umfeld umgeht.

Die Parole „Ostdeutschland“ fällt in unzähligen Videos. Laut, plakativ, stolz. Sie ist das neue „Wir sind das Volk“.

Justin Pollnik, Gastgeber der Netzwerkveranstaltung, postet Videos bei denen die Parole “Ostdeutschland” fällt. In den Kommentaren zeigt sich zum Teil rechtsextreme Community.

Sie schaffen Räume. Sie lassen es zu, dass sich anti- demokratische Ideologie dort wohlfühlt. Und der schlimmste Part: Sie wissen es. Oder sie wollen es nicht wissen – und das ist genauso schlimm. Schweigen oder Gleichgültigkeit wirkt – gerade bei öffentlichen Personen – schnell wie Komplizenschaft. Wer rechte Tendenzen nicht klar benennt und sich distanziert, läuft Gefahr, ihre Normalisierung stillschweigend mitzutragen.

Es ist erschreckend, wie viele Follower und wie viel regionale Macht diese Szene inzwischen hat. Und es ist erschreckend, wie wenig Problembewusstsein existiert. Ich will meine Geschichte teilen, weil ich glaube, dass viele gar nicht wissen, wie stark und tief diese Szene inzwischen vernetzt ist.

Der Song tritt immer wieder in Verbindung mit rechtsextremen Kommentaren auf.

Soziale Medien Post von Justin Pollin, warnend vor Nazi-Aktivitäten im Osten Deutschlands, mit deutschen Flaggen, Hashtags und einem Warnsymbol.

Captions wie diese relativieren die Existenz von Neurechten Aktivisten im Osten, gleichzeitig versucht man sich oberflächlich von ihnen zu distanzieren – ein klassischer Widerspruch. So wird rechte Ideologie verharmlost und anschlussfähig gemacht. Das ist nicht nur gefährlich, sondern auch verantwortungslos gegenüber der eigenen Reichweite.

Meine Fragen an:

Schillah, Justin Pollnik, ArniTheSavage, JSTN, Kickartz u.a.

Wenn ihr sagt, Es Eskaliert sei unpolitisch – warum nutzt ihr dann Bildsprache und Codes, die nachweislich in extremistischen Kontexten gefeiert werden?

Warum nutzt ihr eure Reichweite nicht, um die Räume zu schließen, in denen sich anti- demokratische Ideologie wohlfühlt?

Ein DJ vor einer großen Menschenmenge bei einem Event. Die Menge trägt schwarze Kleidung, viele haben schwarz-weiße Gesichtsbemalung und tanzen. Über der Szene steht der Schriftzug 'Ostdeutschland' in schwarzer Schrift auf einem weißen Band, mit einem roten Hintergrund darunter.

Sammelstelle für Beweise:

Im Rahmen des Kunstprojekts Goldjunge suche ich nach deinen Erfahrungen, Beobachtungen, Belegen oder Kontakten, die dabei helfen können, dieses Netzwerk sichtbarer zu machen – seine Mechanismen, seine Wirkung, seine Verflechtungen. Es geht nicht um Kontaktschuld. Aber es geht sehr wohl um Verantwortung. Um den Nährboden, den solche bewusst flach gehaltenen Provokationen bereiten – für Ressentiments, Abgrenzung und letztlich: Extremismus.

Wenn du etwas weißt, gesehen oder erlebt hast – melde dich. Kunst darf vieles. Aber nicht blind sein.